Thomas Y. Levin
Thomas Y. Levin (Princeton University/IKKM, Weimar)
Datamoshing als syntaktische Form
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Praktisch alle Bewegungsbilder, denen wir heutzutage begegnen, sind „komprimierte“ digitale Videobilder. Mit dieser post-photochemischen materialen Bedingung sehen wir uns immer dann in besonders augenfälliger Weise konfrontiert, wenn ein DVD-Player einen Abspielfehler produziert und wir Zeugen eines geisterhaften, aber merkwürdig schönen Durchdringens eines Bildes durch ein anderes werden, ein Prozess, in dem die Pixelation, welche die Möglichkeitsbedingung für das „richtige“ Aussehen solcher digitaler Medien darstellt, unversehens an die Oberfläche tritt. Dieser technikbedingte „Irrtum“ ist mittlerweile zu einem Idiom des künstlerischen Ausdrucks mit dem Namen „datamoshing“ geworden, eine Abkürzung für das Hacken der Kompressionsalgorithmen digitaler Videokompressionen. In dem „Vokabular“ von vermeintlichen Kompressionsfehlern des „datamoshing“, das im Bereich der Avantgarde-Videokunst ebenso zum Tragen kommt wie im populären Idiom des Musikvideos, geht es um das Lesbarwerden von „differencing“, d.h. von etwas, was ich die „preduktive Ästhetik des abwesenden Bildes“ nennen möchte. Darin zeichnet sich eine neue visuelle Sprache ab, eine post-photogrammatische Syntax der Bilder, deren Umrisse in diesem Beitrag skizziert werden sollen.
Thomas Y. Levin ist Professor am German Department in Princeton. Er ist der Übersetzer und Herausgeber von Kracauers The Mass Ornament (1995), Herausgeber der medientheoretischen Schriften von Walter Benjamin auf Englisch (2008) und der Autor von Technoaestehtic: Medientheoretische Schriften (im Erscheinen). Levin ko-kuratierte die erste Ausstellung zur Situationistischen Internationalen (1989) und kuratierte „CTRL [SPACE]: Rhetorik der Überwachung von Bentham bis Big Brother“ (ZKM Karlsruhe, 2001). Er ist derzeit Senior Fellow am IKKM (Weimar) und Einstein Prize Fellow an der Schlegel Graduiertenschule an der FU Berlin.